Parenterale Ernährungstherapie: von Geburt über Kita bis zur Schule
Emily ist neun Jahre alt und erhält seit ihrer Geburt wegen ihres angeborenen Kurzdarmsyndroms parenterale Ernährungstherapie. Das hat ihr geholfen, sich gut zu entwickeln, um die Kita und heute die 3. Klasse einer Grundschule zu besuchen.
Ihre Mutter schildert im Interview, welche Wege sie dafür mit ihrer Tochter gegangen ist, die manchmal auch nicht ganz leicht waren. Sie gibt Tipps, wie es ist, mit ihrer Tochter in den Urlaub zu fahren, welche Dinge sie heute anders machen würde und was Emily trotz der Einschränkung bei der Ernährung alles geschafft hat.
Emily und ihre Mutter möchten, dass andere Eltern und Kinder von ihren Erlebnissen und Erfahrungen profitieren – und damit Mut machen, auch weil Emily viel Freude am Leben und mit ihren Freunden hat.
Die parenterale Ernährungstherapie ist wichtig, damit Emily wächst und sich gut entwickelt
Herzlichen Dank, dass Sie uns über Ihre Erfahrungen mit Emily erzählen. Wann wurde bei ihr etwas Auffälliges bemerkt?
Das war bei der pränatalen Diagnostik, als ich im fünften Monat schwanger war. Beim Screening hat man den Darm gesehen, was üblicherweise nicht der Fall ist. Der Arzt dachte zuerst, Emily hat einen normalen Darm, der sich an einer Stelle verknotet hat, was sich nach der Geburt mit einer Operation gut hätte lösen lassen können.
Was passierte nach der Geburt?
Emily wurde operiert und dabei wurde festgestellt, dass sie nur einen sehr kurzen Darm hatte und dass der Dünndarm vom Dickdarm getrennt war. Das wird als Kurzdarmsyndrom bezeichnet und ist bei Emily angeboren. Bei der Operation wurden Dünn- und Dickdarm miteinander verbunden, allerdings mit einem künstlichen Darmausgang. Nach der Operation durfte sie dann auch etwas Wasser bekommen.
Wie sind Sie als Mutter mit der Situation umgegangen?
Es war sehr stressig und ich war natürlich in Sorge: Emily musste sechs Wochen im Krankenhaus bleiben, vier davon auf der Intensivstation. Dann hat der Darm angefangen bedingt zu funktionieren und Emily wurde ein Katheter für die parenterale Nahrung implantiert.
Wie haben Sie die parenterale Ernährung zu Hause umgesetzt?
Nach sechs Wochen durfte Emily nach Hause. Der Pflegedienst war täglich da und hat mir gezeigt, wie die parenterale Ernährung funktioniert; sie lief täglich 24 Stunden. Unsere Patientenbegleiterin von Fresenius Kabi Homecare war und ist für mich immer erreichbar. Das finde ich sehr toll. Nach einigen Jahren hatte Emily dann eine zweistündige, später sogar eine vierstündige Pause bei der Ernährung. Während der ganzen Zeit hat sie jedoch sehr viel erbrochen. Die Ärzte empfahlen eine Operation, um ihren breiten Dünndarm länger und dünner zu bekommen.
Was wurde bei dieser Operation mit dem Dünndarm gemacht?
Emily erhielt in Hannover eine STEP-Operation, das steht für serielle transversale Enteroplastik, um über eine operative Schnitttechnik den Darm länger und enger zu machen. Das hat zwar geklappt, aber der Darm hat sich in der Funktion nicht verbessert. Sie hat dennoch angefangen, ein bisschen mehr zu essen, hatte aber bis zu 18-mal Stuhlgang am Tag. Das war sehr anstrengend für alle, auch für ihre Tagesmutter, bei der Emily unter der Woche betreut wurde. Doch Emily hat immer Freude am Leben und ist ein fröhliches Kind. Später hat Emily eine Kita besucht, da ich der Auffassung bin, dass Emily Kontakt zu Gleichaltrigen braucht.
Mittlerweile lassen wir Emily viel mehr selbstständig machen und das klappt gut.
War es schwierig, eine Kita zu finden, die Emily betreut?
Ja, das war schwierig. Zu der Zeit habe ich studiert und zum Glück gab es an der Uni eine Kita. Wir mussten zwar eine lange Fahrzeit in Kauf nehmen, weil die Kita in einem anderen Stadtteil war – aber dort hatte ich wenigstens eine Zusage bekommen.
Die Kita hat Emily gutgetan. Ich habe auch viel von den Erzieherinnen gelernt, gerade im Umgang mit Emily, um sie für Dinge zu motivieren, wie etwa, dass sie ihre Socken selbst anzieht. Ich hatte davor so viele Ängste um Emily, ich habe sie angezogen, ihr viele Aufgaben abgenommen. Mittlerweile lassen wir Emily viel mehr selbstständig machen und das klappt gut.
Welchen Tipp haben Sie für andere Eltern, die eine ähnliche Herausforderung haben?
Ich denke, man sollte sich nicht schämen, Hilfe zu holen. Auch psychologische Hilfe kann sehr viel ausmachen. Als Emily zwei Jahre alt war, habe ich Einzelfallhilfe beantragt. Es wurde ein Entwicklungsplan erstellt und die Einzelfallhelferin hat dann mit Emily einmal wöchentlich an ihrer Entwicklung gearbeitet.
Wie haben Sie das alles parallel zu Ihrem Studium geschafft?
Es war eine sehr harte Zeit. Einmal gab es einen Vorfall in der Kita: Emily fühlte sich plötzlich schlecht, erbrach und fieberte. Die Kita rief den Notarzt und Emily wurde ins Krankenhaus gebracht. Dabei stellte sich heraus, dass Emily Verdacht auf Subileus hatte, das heißt, der Darm hatte angefangen, sich in die falsche Richtung zu bewegen. Sie hat deshalb nur noch enterale Ernährung durch die Sonde bekommen und danach wurde Emily wieder operiert.
Wie weit hat der künstliche Darmausgang hier geholfen?
Der hat geholfen: Emilys Bauch war wieder flach, sie konnte sofort essen, sie hatte Appetit, sie wuchs und es ging ihr wieder gut. Natürlich kann man den künstlichen Darmausgang nicht für immer lassen. Nach der Rückoperation des Darmausgangs, ging es ihr zwar weiter gut, aber ihr Bauch wurde sofort wieder dick. Seitdem bekommt sie spezielle Spritzen mit einem Medikament, um die Darmoberfläche zu vergrößern. Das hat ihr sehr geholfen. Emily hatte nicht mehr so oft Stuhlgang und konnte dann wieder in die Kita. Die parenterale Ernährung wird übrigens jede Woche geliefert und die Spritzen einmal im Monat.
Wie haben Sie die Einschulung mit der Einschränkung bei der Ernährung geschafft?
Mir war wichtig, dass Emily unter Kindern bleibt. Sie geht auf eine normale Schule mit gesunden Kindern und Integrationskindern. In der Schule bekommt der Caterer immer eine aktuelle Liste, was Emily essen darf. Das klappt gut. Sie ist inzwischen in der dritten Klasse.
Wie lange brauchen Sie, um Emily an die parenterale Ernährung anzuschließen?
Wenn sie Schule hat, schließen wir sie um 19:00 Uhr an und die Ernährung läuft bis morgens 7:00 Uhr. Das Anschließen selbst dauert so zehn Minuten, das Abstöpseln vielleicht fünf Minuten. Natürlich wollen wir das irgendwann weiter reduzieren, wollen, dass sie mehr essen kann, aber jetzt braucht sie die parenterale Ernährung jeden Tag.
Was isst Emily am liebsten?
Bananen, Obst, Birnen und auch mal Gummibärchen, aber nicht jeden Tag, denn Zucker ist für Emily nicht so gut. Im Moment isst Emily wieder mehr, aber sie hat nicht immer Appetit. Die parenterale Ernährung ist deshalb so wichtig, weil sie damit genügend Nährstoffe erhält, um zu wachsen.
Wie machen Sie es mit der Ernährung für Emily im Urlaub?
Innerhalb Deutschlands liefern Fresenius Kabi und die von mir gewählte Apotheke überall hin. Wichtig ist, frühzeitig alles abzusprechen. Das ist für mich einfach, weil ich mit unserer Patientenbegleiterin von Fresenius Kabi Homecare nun schon seit neun Jahren in Kontakt bin.
Wie erleben Sie die Entwicklung von Emily grundsätzlich?
Wir freuen uns sehr über jeden Fortschritt und jeden Tag, an dem es Emily gut geht. Wir bleiben am Ball, damit sie sich weiter gut entwickelt.
Und wie ist es mit Ihren Bedürfnissen – was sind Ihre Tipps für Eltern, die in ähnlichen Situationen sind?
Ja, an die eigenen Bedürfnisse denke ich eher an zweiter Stelle. Ich hätte viel früher psychologische Hilfe holen sollen. Das ist ein wichtiger Tipp. Und ruhig bleiben. Mit kühlem Kopf kann man bessere Entscheidungen treffen. Sich überall informieren ist auch sehr empfehlenswert: bei Ärzten, Beratungsstellen, Krankenkasse, Jugendamt, im Krankenhaus. Fragen, fragen, fragen und auch mal Kinderbetreuung nutzen.
Herzlichen Dank, dass Sie uns Ihre persönlichen Erfahrungen geschildert haben.
Interview Simone Kaufmann im September 2022, Berlin
Auf Wunsch der Familie wurden die Fotos gezeichnet, um die Anonymität von Emily zu schützen.
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