Urlaub ohne parenterale Ernährung
Dieses Mal möchte ich euch erzählen, wie es ist, ohne parenterale Ernährung in den Urlaub zu fahren – genauer genommen nach Italien - Bibione. Meer, Sonne, Strand: mehr braucht man nicht. Ihr fragt euch sicher, warum ich überhaupt ohne Infusion gefahren bin? Weil ich einfach eine Woche ohne allem sein wollte und es ein gewisses Freiheitsgefühl "ohne Kabel am Abend" ist. Ich konnte zu diesem Zeitpunkt meine Portnadel auch noch nicht selbst stechen, somit hätte ich nicht baden gehen können.
Gleich vorweg: ich bin mit meiner besten Freundin gefahren, die meine Krankheitsgeschichte seit Jahren komplett kennt. Es war der zweite Urlaub ohne Eltern, meine Mutter war natürlich etwas besorgt, wer kennt das nicht?
Als wir am Montag mit dem Bus ankamen und das Zimmer begutachtet hatten, sind wir direkt an den Strand. Dort haben wir auch Mittag gegessen. Meine Freundin erinnerte mich jeden Tag daran, dass ich Mittag unbedingt was essen musste!!! Ich hatte selten Hunger, doch ich wusste, wie wichtig es war. Also habe ich es für meine Freundin getan und natürlich für mich und meinen Körper.
Das Meer war fantastisch. Dieses Freiheitsgefühl in den Wellen. Abends gab es ausgefallenes Essen im Hotel. Ich habe immer versucht, so viel wie möglich zu finden, was mir schmeckt – was etwas schwierig ist, wenn man so wählerisch ist, wie ich. Den ersten Abend haben wir genutzt, um in die Fußgängerzone von Bibione zu gehen und uns das Nachtleben anzusehen. Wir haben leckeres Eis geschleckt, gemütlich eine Weinschorle getrunken und die Leute beobachtet. Danach sind wir komplett k.o. ins Bett gefallen.
Der Dienstagmorgen begann mit einem kleinen Tütchen Vitamin B12 + Energie Pulver, das man sich direkt in Mund schütten und schlucken kann. Ich hatte zugleich noch vier hochkalorische Drinks dabei. Ich habe das Problem, dass diese Drinks ein unglaubliches Sättigungsgefühl bei mir auslösen und ich meistens danach keinen Hunger mehr habe. Deswegen habe ich die eine Hälfte am Morgen getrunken und die andere abends vorm Zubettgehen.
Um 9 Uhr ging es meistens zum Frühstück. Die beste Zeit des Tages! Ich liebe Frühstück, da könnte ich stundenlang essen. Danach sind wir ab ans Meer: schwimmen, quatschen, baden, lesen, sonnen und vieles mehr. Wir liehen uns ein Tretboot aus, was super witzig war. Nach 30 Minuten mussten wir wieder zurück. Ich merkte am Kreislauf, dass es einfach zu heiß war… So kaputt, schlapp und leicht schwindlig.
Abends waren wir wieder essen und ich habe wieder den kalorienhaltigen Drink getrunken. Banane gab es meistens abends auch noch, denn die hilft sehr gegen Diarrhöe (Durchfall). Das entsteht meistens nach ein paar Tagen ohne parenterale Ernährung. Dadurch kommt es zum Verlust von Elektrolyten bis hin zu Mangelerscheinungen und Krämpfen in den Extremitäten (Füße und Hände). Den Abend haben wir dann noch mit anderen jungen Leuten verbracht. Es war unfassbar lustig und wir hatten viel Spaß. Ein paar Gläser Weinschorle getrunken und 'schwups' war die Nacht schon fast vorbei. Es war 4:00 Uhr als wir ins Bett gegangen sind.
Am Mittwochmorgen musste ich aber um 9:30 Uhr aufstehen, da ich unbedingt frühstücken musste! Vitaminpulver, ein halber Drink und eine Banane gegessen und dann zum Frühstück. Ich muss sagen, Mittwoch war der Tag, an dem ich kurz vorm Verzweifeln war. Es ging mir am Morgen sehr schlecht. Natürlich spielten die wenigen Stunden Schlaf eine Rolle. Doch der Moment war da, wovor ich so sehr Angst hatte: Brennen in den Augen, schlapp, kraftlos, keine Treppen steigen können, nur Durchfall – alle paar Minuten, tiefe Augenringe, Fingerkribbeln, Magenschneiden und, was meistens auch dazu kommt, Krämpfe in den Fingern und Zehen.
Ich wusste nicht, wie ich den restlichen Urlaub schaffen soll in diesem Zustand. Da meine Freundin auch noch sehr müde war, hatten wir beschlossen noch einmal weiterzuschlafen. Letztendlich habe ich nochmal knapp zwei Stunden geschlafen. Als ich wach war, war ich wie ausgewechselt. Die Krämpfe waren spurlos weg. Das Augenbrennen war viiiiel leichter geworden und der Magen hatte sich beruhigt. Mir ging es zu 99% besser und das nur durch Schlaf. Wir waren gegen Nachmittag wieder am Meer, haben das Wasser und die Sonne genossen und Uno gespielt – der Klassiker. Natürlich nicht zu vergessen, Pizza gegessen zu Mittag, was sonst in Italy?
Der Donnerstag begann wie jeder andere Tag: Vitaminpulver, Drink trinken und Banane essen. Anschließend wieder zum Frühstück. Heute ging es mir viel besser. Heute stand Parasailing auf dem Programm. Nach dem Festschnallen ging es auch schon los: Anfangs ging es erstmal hoch hinaus, bis wir ganz oben angekommen waren, es waren schätzungsweise circa 100 Meter. Dieser Ausblick war traumhaft und unbeschreiblich. Strahlend blauer Himmel trifft auf glitzerndes Meer. Der Wind wehte in den Haaren. Dieses Gefühl von Freiheit. Sorgenfrei zu sein und alles vergessen zu können. Einfach UNBESCHREIBLICH.
Es war Freitag und langsam neigte sich der Urlaub zu Ende. Wir waren sehr zwiegespalten. Wir wollten nicht, dass dieser unfassbar schöne und vertraute Urlaub endete. Doch man freute sich auch wieder auf sein eigenes Bett und ich ganz besonders auf die parenterale Ernährung. Gegen Mittag ging es an den Pool, weil das Meer und der Strand zu heiß waren. Zugleich habe ich eine Sonnenallergie entwickelt, was noch nie der Fall war. Doch ich denke, es kam aufgrund der starken Sonne, purem Salzwasser und viel Sand. Die Stelle, an der der Portkatheter eingesetzt ist, habe ich immer extra mit Sonnencreme eingecremt, weil sich dort viel schneller ein Sonnenbrand bildet (die Stelle ist meistens mit einem Pflaster bedeckt, deswegen ist diese viel empfindlicher.)
Abends sind wir zum Strand, um Fotos vom Sonnenuntergang zu schießen. In der Stadt wurde dann gegessen und wisst ihr was? Natürlich italienische Pizza! Dann haben wir noch einmal das Flair der italienischen Nacht beim Bummeln genossenen. Haben uns dann noch gemütlich auf unseren Balkon gesetzt und ein Gläschen Wein getrunken. Ich bin gegen Mitternacht ins Bett gegangen. Ich hatte starkes Bauchweh von dem zu späten Essen. Dies ist leider immer ein Problem, da die Verdauung nachts viel weniger arbeitet, treten meistens die Bauchschmerzen auf, wenn ich zu spät etwas esse. Zudem war ich auch kaputt und müde von der Hitze. Schlaf ist immerhin die beste Medizin.
Sonntag war Abreisetag. Es ging sehr früh für mich los. Ich wollte unbedingt den Sonnenaufgang beobachten. Da der letzte Tag dazu sehr gut war, bin ich um 5:45 Uhr aufgestanden und allein Richtung Strand. Am Meer war so eine fantastische Stimmung. Man sah niemanden außer ein paar Läufer oder einen Mann, der Fitnessübungen mit Musik machte. Ich bin am Strand entlang spazieren gegangen. Immer wieder berührten die Wellen meine Fußknöchel. Von Minute zu Minute nahm der Himmel eine andere Farbe an: von dunkelblau zu dem hellsten und grellsten orange, rot und gelb. Dieser Moment war für mich einfach unbeschreiblich. Dieses Freiheitsgefühl, was man da gefühlt hat, ist unglaublich gewesen und für mich mein persönliches Highlight. Diese Ruhe. Diese Leere. Dieses Rauschen. Diese Farben. Dieser Anblick. Diese Gefühle. Diese Luft. Einfach nur unbezahlbar.
Zusammenfassend muss ich gestehen, ging es mir die meiste Zeit im Urlaub sehr gut. Was auch daran lag, dass ich viel darauf geachtet habe, etwas zu essen und auch was ich esse. Ich habe in sieben Tage genau zwei Kilo verloren. Das hört sich für euch jetzt wahrscheinlich verdammt wenig an, doch mich macht jedes einzelne Gramm kaputt (als Vergleich eine Woche Türkei 3,5 kg…da war nichts mehr möglich mit mir). Auf diese zwei Kilo war ich unfassbar stolz, da ich das nur mit Willen und Motivation meiner Freundin geschafft habe.
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