Neugier versus Interesse: Wie gehe ich mit Freunden und Familie hinsichtlich der Krankheit um?
Liebe Leser und Leserinnen,
dieses Thema ist sehr interessant, da ich selbst gemerkt habe, dass ich im Lauf der Zeit komplett anders damit umgehe.
Im Kindergarten und in der Grundschule kannten die Erzieherinnen beziehungsweise Lehrer meine Krankheitsgeschichte durch die Fehltage, die ich oft durch meine Krankenhausaufenthalte hatte. Vereinzelte Schülerinnen und Schüler wussten, dass ich Probleme mit dem Darm hatte, aber Genaues musste man einem Kind mit vier bis sechs Jahren natürlich nicht erzählen.
In der weiterführenden Schule ist es anfangs gar nicht aufgefallen, dass ich krank war. Denn man sieht ja eigentlich nur ab und zu eine kleine Ecke von dem Pflaster unter meinem T-Shirt herausragen. Doch als die erste Operation kam, waren die Fragen groß: „Warum wurdest du operiert? Wieso klebt da eigentlich immer ein Pflaster an deiner Schulter? Wieso kannst du beim Schwimmunterricht nicht mitmachen?“ Und viele mehr.
Es hat mich als Jugendliche enorm gestört, wenn alle wissen wollten, wieso. Ich hatte Angst vor der Reaktion meiner Mitschülerinnen und Mitschüler. Deswegen bin ich diesen Fragen meistens ausgewichen oder habe gelogen: „Mir wurde ein Muttermal entfernt und die Wunde hat sich entzündet.“, „Mich hat eine Katze gekratzt.“ und Ähnliches.
Meine besten Freunde zu dieser Zeit kannten meine Geschichte natürlich schon und standen auch immer hinter mir. Die meisten zumindest.
Natürlich macht man auch negative Erfahrungen. Zum Beispiel, dass die Sachen, die man im Vertrauen erzählt hat, einfach weitererzählt werden. Und das von Personen, von denen man dachte: „Denen kann man vertrauen.“
Ein Moment prägt mich bis heute, denn zu dem Zeitpunkt tat es unglaublich weh. Im Nachhinein betrachtet kann ich nur darüber lachen und habe daraus gelernt.
Meine Nachbarin und ich waren im Schwimmbad und durch Zufall traf ich meine damalige beste Freundin in Begleitung eines ihrer Freunde. Als ich fröhlich auf sie zuging, um mit ihr zu reden, drehte sie sich weg, zeigte mit dem Finger auf mich und meinte zu ihrem Freund: “Schau dir mal die an. So viele Narben zu haben, ist ja hässlich!” Als ich diese Aussage hörte, drehte ich mich um und lief sofort zu meiner Nachbarin zurück. Ich konnte nicht verstehen, wie sehr man sich in Menschen täuschen konnte – noch dazu in der „besten Freundin“. Sie schämte sich für mich und wollte nicht, dass ihr Freund erfuhr, dass wir befreundet waren.
Ab dem Moment wurde ich immer verschlossener, wenn es um das Thema ging, weil meine Angst vor den Reaktionen größer wurde. Es überwiegen aber definitiv die positiven Erfahrungen. Durch die negativen Erlebnisse habe ich gelernt, dass man sich nicht unterkriegen lassen sollte. Und schon gar nicht durch einen doofen Kommentar.
„Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen sind alle gleich.“
Zitat von unbekannt
Wenn mich aktuell jemand anspricht und ich die Person kenne, erzähle ich ihr die Kurzfassung, weil ich kein Problem mehr damit habe, offen mit meiner Krankheit umzugehen. Diese Offenheit habe ich durch den jahrelangen Umgang mit der Krankheit, den Halt meiner richtigen Freunde, meiner Familie und auch meines Freundes gelernt. Denn das sind die Menschen, die mich so akzeptieren, wie ich bin – ohne nur einmal darüber nachzudenken.
Eine ganz andere Situation ist es mit kleinen Kindern. Als meine Cousine oder meine Nichte den Infusionsschlauch und das Pflaster zum ersten Mal sah, hieß es nur: „Aua!“ Seither wissen sie, dass sie beim Spielen aufpassen müssen.
Kinder hinterfragen immer alles: „Wieso, weshalb, warum?“ Natürlich wollen sie auch eine Antwort haben. Das erste Mal, als ich ihnen selbst von meiner Krankheit erzählt habe, war zusammen mit meiner Familie. Vorher hatte das immer meine Mama übernommen, weil ich noch zu klein war, um es selber zu verstehen und zu erklären. Doch mit den Jahren verändern sich die Rollen.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich mit meiner Erkrankung schon durch viele Höhen und Tiefen gegangen bin und vieles daraus gelernt habe. Ich bin offener geworden und akzeptiere mich selbst. Mit allem, was dazu gehört. Ich vertraue auch nicht sofort jedem Menschen alles an. Ich bin stolz darauf, wo ich aktuell stehe. Deswegen stören mich jetzt solche Sprüche und Kommentare beim Schwimmen beispielsweise gar nicht mehr.