Meine Erfahrung mit einem PICC-Katheter
Ich kann mich noch ganz genau an den Tag erinnern, wo du in mein Leben kamst. Es war der 08.03.2020, bis heute sind genau 30 Tage vergangen. Ich hatte Angst vor dir. Ich kannte dich nicht.
Störst du mich im Alltag? Tust du weh? Wie fühlst du dich an? Ist mein Arm wegen dir eingeschränkt? Kann ich damit arbeiten? Funktionierst du gut? Darf ich in den Urlaub fliegen? Wie geht duschen mit dir? Kann ich schwimmen gehen? Wie lange wirst du bei mir bleiben? Kann ich dich selbst wechseln?
All diese Fragen und viele mehr sind mir sofort durch den Kopf gegangen. Doch für die Ärzte in unserem Krankenhaus warst du auch etwas sehr Seltenes. Und bei jungen Patienten, wie bei mir mit Mitte 20, erst recht. Es konnte mir anfangs keiner diese Fragen beantworten und man fühlte sich alleingelassen.
Es war so weit, ich wurde vorbereitet auf Dich. Mein linker Arm wurde sauber gemacht und mit Jod desinfiziert. Die Blutdruckmanschette, das Pulsoxymeter und die EKG Elektroden wurden mir angelegt. Währenddessen hat mir der Radiologe alle meine Fragen beantwortet. Er war einer der liebsten Ärzte, die ich jemals kennenlernen durfte.
Er hat sich Zeit genommen, mir zugehört und mir die Angst genommen. Es wurde alles abgedeckt, ich sah nichts mehr als einen Bildschirm mit schwarzem Desktop. Der Arzt tastete meinen Arm nach einer geeigneten Vene ab. Dies dauerte etwas, weil meine Venenverhältnisse nicht mehr die besten sind. Als er eine gefunden hatte, hat mir die MFA (Medizinische Fachangestellte) den Stauschlauch um meinen Arm gelegt und festgezogen.
Da kam der Moment, vor dem ich Angst hatte. Doch es war nicht mehr als ein kleiner „Pieks“ wie beim Blutabnehmen. Danach hat es noch etwa 10 Sekunden gebrannt, weil der Arzt das Betäubungsmittel in meinen Arm gespritzt hat. Anschließend hat man nichts mehr gemerkt (=örtliche Betäubung).
Auf dem schwarzen Bildschirm konnte man per Röntgenstrahlung und Ultraschall verfolgen, wie du in meinen Oberarm in den Körper, bis zur oberen Hohlvene in den rechten Vorhof des Herzens, über einen Führungsdraht eintrittst. Bemerkt habe ich davon gar nichts. Als du an der gewünschten Stelle warst, wurdest du mit NaCl (Natriumchlorid = Kochsalz) gespült, um zu sehen dass du gut liegst. Danach wurde mein Arm noch einmal desinfiziert und sauber gemacht, dass man dich mit einer speziellen Haftplatte, die auf meiner Haut klebte und einmal wöchentlich gewechselt werden sollte, fixieren konnte. Dies war der komplette Eingriff. Im Nachhinein habe ich gemerkt, dass meine Angst vor dir komplett unbegründet war. Doch wer bist du nun?
Mein 30 Tage Begleiter nennt sich PICC Katheter.
Ihr fragt euch, warum man so etwas legt. Bei mir war es eine Übergangslösung zum Portkatheter, der sich infiziert hat und zunächst abheilen musste. Somit wurde eine erneute Infektion auf der gegenüberliegenden Seite vermieden. Darüber kann eine intravenöse (= über die Vene) Therapie, sowie Blutentnahmen erfolgen. Da der Katheter peripher eingeführt wird, muss bei der Implantation nicht so kritisch auf die Blutgerinnung geachtet werden.
PICCs haben den Vorteil, dass sie relativ leicht zu implantieren sind, aber auch wieder sehr leicht zu entfernen sind. Die Pflege des Katheters besteht darin, dass man ihn täglich mit Kochsalz spülen muss und die genannte Haftplatte, womit er am Oberarm fixiert ist, wöchentlich gewechselt werden soll. Bei entsprechender Pflege und keinen Komplikationen ist es möglich, den Katheter bis zu einem Jahr so zu belassen.
Meinen Alltag, muss ich sagen, hast du natürlich schon etwas eingeschränkt. Diese erlernte Unabhängigkeit beim An- und Abhängen der Infusion, war nun komplett verschwunden. Da dein Schlauch zu kurz war, um mit der linken Hand etwas tun zu können. Mit einer Hand Spritzen und Schläuche zusammenschließen ist unmöglich, somit war ich morgens und abends immer auf andere Personen in meinem Umfeld angewiesen, die mich hierbei unterstütz haben.
Dabei haben mich mein Freund und meine Mutter sehr unterstützt. Was auch noch etwas schwerer mit dir war, war duschen. Ich muss gestehen, ich hatte keine Lust auf stundenlanges Abkleben von dir, dass du ja nicht nass wirst. Habe meistens die Badewanne gewählt, denn da konnte der Arm einfach nach außen hängen. Haare waschen hat sich mit dir auch etwas schwierig gestaltet, denn das Wasser lief meistens den Unterarm nach hinten, wobei du dann nass geworden wärst. Dabei habe ich auch Unterstützung benötigt.
Ich konnte aber ganz normal arbeiten, laufen, schlafen und schreiben. Meinen Arm konnte ich nach der Gewöhnungsphase auch ganz normal bewegen und anstrengen. Ich habe mir einen Strumpf aus einem alten T-Shirt genäht, dass ich nicht ständig mit dir irgendwo hängen bleibe, da du ca. 1,5 cm von meinem Körper abstehst. Dies wäre sehr gefährlich und könnte Schmerzen bereiten.
Im Allgemeinen warst du ein treuer und pflegeleichter Begleiter, der mich meinen Alltag bewältigen ließ. Mir Kraft gab und mich mit meiner parenteralen Ernährung versorgte. Eine gute Übergangslösung warst du definitiv, doch ich muss dir leider gestehen, ich bin froh, wenn du wieder aus meinem Körper ausziehst.
Ich möchte dir DANKEN für die Zeit, die du bei mir warst und bis auf nicht mehr Wiedersehen.
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